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Placoidschuppen
Strukturell sind die Placoidschuppen das wichtigste Element der
Hai− und Rochenhaut. Streicht man vom Schwanz her Richtung Kopf
über die Haut, verursacht dies auf der Handfläche ein raues
Gefühl. Heute noch wird Haihaut getrocknet, gegerbt und zu einem
schleifpapierähnlichen Material verarbeitet. Haihaut
wurde schon vor langer Zeit und in vielen Kulturen verwendet: Im antiken
Griechenland polierten Handwerker mit ihr hölzerne Objekte,
während japanische Schwertschmiede und die alten Perser die
Haihaut dazu benutzten, den Griff und die Scheide ihrer Schwerter zu
beziehen.
Die Placoidschuppen sind Überreste des dermalen
Hautknochenpanzers ancestraler Wirbeltiere wie Ostracodermen und
Placodermen. Im histologischen Aufbau entspricht die Placoidschuppe
einem Wirbeltierzahn. Sie besitzt wie dieser eine Pulpa mit
Blutgefässen, einen Dentinkegel und einen schmelzartigen
Überzug, der aus knochenähnlichem Vitrodentin besteht.
Dieser Schmelz wird im Unterschied zum Wirbeltierzahn jedoch nicht
von Adamantoblasten gebildet, sondern durch Odontoblasten von
innen nach aussen aufgelagert. Im Gegensatz zur Struktur der
Placoidschuppe besteht die Elasmoidschuppe der Teleostier nur aus
je einem dermalen Knochenplättchen ohne jegliche
Schmelzauflagerung. Die Elasmoidschuppe wird im Gegensatz zur
Placoidschuppe zudem stets von der Epidermis bedeckt.
Haie weisen von Geburt an eine spezifische Anzahl Schuppen
auf.
Ausgefallene Schuppen werden durch Neubildungen ersetzt, die mit
fortlaufendem Wachstum grösser werden und manchmal ihr Aussehen
verändern. Auch bei den kräftigen, scharfen Stacheln und
Dornen, die sich an den Rückenflossen vieler Haie finden
(Gewöhnlicher Dornhai, Heterodontidae), handelt es sich um
modifizierte Placoidschuppen.
Haie und Rochen zeigen eine enorme Vielfalt an Schuppentypen.
Atlantische Ammenhaie haben beispielsweise an der Schnauze rundliche
und am Rücken längliche Schuppen. An der Flanke finden sich
gekielte Schuppen und am Bauch solche, die ähnlich wie gerippte
Schilde aussehen.
Die wichtigste Funktion der Schuppen ist das Reduzieren des
Schwimmwiderstandes. Die Strukturen, welche die Haihaut in
eine Raspel verwandeln, erhöhen zugleich auch die
Antriebseffizienz.
Vergleichbar mit einem von
Grübchen bedeckten Golfball, der schneller und weiter fliegt als einer
mit glatter Oberfläche. Mathematische Analysen zeigen, dass die
Schuppen einerseits gross genug sind, um die Mikroturbulenzen der
laminaren Wasserschicht, die den Hai beim Schwimmen umgibt, zu
reduzieren.
Andererseits sind sie aber klein genug, um eine signifikante Zunahme der
durchfeuchteten Oberfläche zu verhindern. Der Widerstand des Wassers
wird dadurch reduziert, dass der Zwischenraum der Schuppen mit Wasser
gefüllt ist. Dies bewirkt, dass Haie permanent von einer
dünnen Wasserschicht umgeben sind. Idealerweise wird die Hautreibung
als Bestandteil des Gesamtwiderstandes verringert. Mit der
longitudinalen Ausrichtung ihrer Kämme tragen die
Schuppen genau dazu bei. Sie verhindern nicht die Separation der
Grenzschicht, sondern reduzieren lediglich die Hautreibung durch
Erhaltung der laminaren Strömungsverhältnisse.
Den
widerstandsmindernden Effekt der Elasmobranchierhaut versuchen auch
Biomechaniker und Ingenieure zu kopieren. Flugingenieure entwickelten eine
Folie, welche in ihrer Mikrostruktur der Haihaut gleicht.
Flugobjekte, die mit
dieser Folie überzogen wurden, erzielten signifikante Energie−
und somit Treibstoffeinsparungen. Zudem tragen heute die meisten
Hochleistungsschwimmer Anzüge, die mit winzigen,
placoidschuppenähnlichen Strukturen überzogen sind. Der
Widerstand des Athleten im Wasser kann so verringert werden.
Die
Placoidschuppen erfüllen nicht nur die Funktion, den
Schwimmwiderstand zu verringern. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben besteht in
einem grundsätzlichen Schutz des Tiers. Bei einigen Arten sind die
Schuppen so scharf, dass die Haut als Gesamtheit eine Art Waffe
bildet, die einem Angreifer schwere Wunden zuführen kann. Beim
Schwellhai (Cephaloscyllium
suflans) repräsentieren die lanzenförmigen Schuppen
ein ausgezeichnetes Beispiel für Konvergenz. Wie beim Igelfisch
richten sich die Stacheln auf, sobald der Hai sich mit Wasser
aufpumpt. Sie verhaken den Körper unlösbar in jenem Spalt, in dem
er Zuflucht gesucht hat. Eine weitere denkbare Funktion der
Placoidschuppen − vor allem bei benthischen Arten − liegt im
Schutz gegen Schnitte und Schrammen. Bei den Weibchen vieler Arten, deren
Männchen ihnen vor und nach der Paarung heftige "Liebesbisse"
zufügen, sind die Epidermis und die Schuppen an einigen
Körperstellen verdickt. Die Funktion der Placoidschuppen
beinhaltet schliesslich auch den Schutz vor Parasiten.
Schuppen haben neben ihrer Schutzfunktion auch eine wichtige
Bedeutung in der Sinneswelt der Haie. Sie schützen etwa gewisse
Nervenrezeptoren wie die Sinnesgruben, die oft von zwei
breiten Schuppen − einer vorn und einer hinten − umgeben
sind. Diese sind so modifiziert, dass sie das Wasser den Gruben zuleiten und
sie auf diese Weise für Reize noch empfindlicher machen. Andere
Schuppentypen, die im Umfeld der Augen zu finden sind, wirken wie eine
Barriere, die das Wasser von diesen empfindlichen Organen ablenkt und den
Wasserdruck auf das Auge reduziert.
Bei oviparen Arten
schliesslich unterstützen die Placoidschuppen das Schlüpfen
aus dem Ei. Die Jungtiere besitzen bereits Placoidschuppen, die zum
"Aufreissen" der Eihülle eingesetzt werden.
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